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Irvine WelshExstasy
 
Ecstasy (1996), deutsche Taschenbuch-Erstausgabe (erstmals auf Deutsch 1997 bei Kiepenheuer & Witsch, Köln), München 1999, dtv 121714, ISBN 3-423-12714-7, aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann, Umschlagfoto: Tony Latham, 1690, 351 Seiten.
 
Rezension: Peter Herfurth-Jesse
 
Trainspotting war schon ein geiler Film (allein die Szene mit der Toilette...), aber das Buch dazu habe ich dann nicht mehr gelesen. Vielleicht als eine Art Wiedergutmachung, habe ich mir vom selben Autor doch einen Titel zugelegt: "Ecstasy". Da horcht der zumindest oberflächlich Vorgebildete auf: in "Trainspotting" ging es um Heroin - und Ecstasy ist schließlich auch eine Droge. Aha.
Der Band umfaßt drei Erzählungen unterschiedlicher Länge. Die umstrittene Partydroge der Raver-Generation (naja) spielt in allen eine mehr oder weniger wichtige Rolle, ansonsten suchen junge Menschen nach ihrem Weg und es wird viel gefickt und ausgiebig geflucht, vor allem die - folgen wir Welsh - verbreitete Angewohnheit jeden und jede als "Fotze" zu titulieren, ließ mich immer wieder abgestoßen zusammenzucken.
Die "Acid-House-Romanze" "Die Unbesiegten" stürzt uns in ein Milieu von PartygängerInnen und GelegenheitsdealerInnen. So lange der Kick der Droge(n) anhält. erscheint alles prima und alle und jede großartig, wird kreuz und quer gevögelt und gelabert, aber irgendwann fragt sich der junge Lloyd dann doch, ob seinem Leben nicht irgendetwas fehlt. Dieses Irgendetwas ist dann die einigermaßen gleichaltrige Heather, die gerade frisch aus der lieblos gewordenen Ehe mit einem karrieregeilen Workaholic ausgestiegen ist. Ende offen und Schluß dieser Geschichte...
Die "Risiken-und-Nebenwirkungen-Romanze" "Fortune's Always Hiding" präsentiert uns drogenkonsumierende Hools und rachsüchtige Medikamentenopfer. Es wird in Leiber und Gesichter getreten, Babys werden Arme abgetrennt, und Ex-Manager verbrannt und zersägt. Zwischen alledem erscheint das zum Verlöschen verurteilte Licht einer unmöglichen Liebe...
Die "Rave-und-Regency-Romanze" "Lorraine geht nach Livingston" verläßt die Szene der (scheinbar) immerwährenden Party. Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine ebenso erfolgreiche wie übergewichtige Autorin verlogen-romantischer Historienschinken, die unter dem Einfluß der Wahrheit über ihren abscheulichen Ehemann und einer jungen Krankenschwester auf literarische Rachepfade verfällt...
Welsh verbindet eine offensive, oftmals krasse Sprache mit einem dezidierten Verzicht darauf, die Milieus, in die er ein Publikum hineinwirft, in irgendeiner Weise moralisch zu bewerten. Vom drogeninduzierten Miteinander der Raver bis zum testosterongesättigten Blutrausch der Hools bleibt uns nichts erspart, und ausgerechnet wenn sich die harmoniesüchtige Autorin historisierender Lügengespinste als Pornografin versucht, scheint so etwas wie (zwischen-)menschliche Wärme auf.


ja, kalt sind sie, die (zwischen-) menschlichen Welten des Irvine Welsh, unerbaulich und oftmals schwer auszuhalten, aber unrealistisch sind sie deswegen noch lange nicht.