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Somtow SucharitkulDas letzte Haiku verhallt
 
Science Fiction Roman, 224 Seiten, DM 6,80. München 1983, Goldmann TB 23427. Originaltitel: Starship And Haiku (1981). Aus dem Amerikanischen von Jürgen Saupe. Umschlagillustration: Gilda Belim. Ausgezeichnet mit dem Locus-Award 1981 für den besten Erstlingsroman.
 
Rezensent: Peter Herfurth
 
Ach, ach, Dunkelheit!
Die Fische ließen das Meer mitten im Frühling. (Haiku, Ende 19. Jh.)
Japan ist gewiß ein Fall für sich, uns EuropäerInnen schier unverständlich mit seinen Haikus, Gedichten die sich um den Augenblick bemühen, seinem Verständnis von Schönheit, die in der Unvollkommenheit steinalter Teeschalen zum Ausdruck kommt, und seinem speziellen Kult des Todes. Japan stellt auch den Hintergrund zu diesem außergewöhnlichen SF-Erstling.
Der Atomkrieg hat stattgefunden, unter den Überlebenden verbreiten sich Mutationen, wütet die Pest; des Ende der menschlichen Geschichte scheint diesmal tatsächlich unabwendbar. Japan, das von den vernichtenden thermonuklearen Schlägen zwar nicht direkt betroffen war, besinnt sich angesichts des absehbaren Untergangs auf seine ureigensten Traditionen. Der Selbstmord als gültigster und würdigster Ausdruck menschlichen Seins kommt zu höchsten Ehren. Da enthüllen die Wale einer jungen Frau ihre Intelligenz - und ihre Verwandtschaft zum japanischen Volk, das unter der Last des dadurch offenbaren Vatermordes erschüttert zusammenbricht.
Der Minister Takahashi verliebt sich endgültig in den Gedanken, den Selbstmord seines Volkes zu organisieren: jeder einzelne Japaner, jede einzelne Japanerin soll Hand an sich legen; nur so könne die kollektive Schande gesühnt werden. Da entdeckt Takahashi, daß sein Kollege Ishida insgeheim ein Projekt betreibt, das mit Hilfe eines im Orbit schwebenden sowjetischen Fernraumschiffs unter den Licht einer fernen fremden Sonne ein Fortbestehen der Menschheit sichern soll...
Im Mittelpunkt von Sucharitkuls Debüt stehen Ryoko, die Ministertochter, die zur Botschafterin der Wale wurde, Jean, ein amerikanisierter Nachkomme nach Hawaii ausgewanderter JapanerInnen, der für sich eine Zakunft sucht, und dessen Bruder Didi, scheinbar ein von Geburt an Schwachsinniger, tatsächlich aber ein mächtiger Telepath. Die Feinzeichnung dieser Personen ist Sucharitkul nicht sonderlich tief gelungen, auch ließen sich die verwandtschaftlichen Beziehungen von JapanerInnen und Walen als allzu weit hergeholt kritisieren.

Dies in Kauf genommen stellt sich Das letzte Haiku verhallt jedoch als völlig eigenständiger Roman von überraschender Orginalität dar, der in Ansätzen sogar Einblicke in die Unterschiedlichkeit japanischer und westlicher Weltsicht zu vermitteln scheint.