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James MorrowDer Wein des Frevels
 
Science Fiction Roman, The Wine of Violence (19B1), deutsche Erstausgabe, München 1983, Goldmann TB 23432, ISBN 3-422-23432-8, aus dem Amerikanischen von Dr. Eva Malsch, Umschlagillustration: Les Edwards, DM 7,80, 283 Seiten.
 
Rezensent: Peter Herfurth
 
Etliche Jahre ist er schon schon her, der SF-Boom. Damals unterhielt (wie überhaupt jeder Taschenbuch-Verlag, der etwas auf sich hielt) auch das Haus Goldmann noch eine eigenständige SF-Reihe, unter derem Signum manch empfehlenswerter Autor publiziert wurde. Hier kam zum Beispiel seinerzeit der erste Roman des immer wieder erstaunlichen James Morrow heraus und nicht etwa bei seinem heutigen BRD-Verleger Heyne. Und, stellen wir dies gleich an den Anfang der Rezension: Der Wein des Frevels ist (bzw. war) ein erstaunliches Debüt von geradezu klassischem Format!
Es beginnt wie eine der großen Gesellschaftsutopien aus dem vorindustriellen Zeitalter: Reisende entdecken ein abgelegenes Land Utopia. Im vorliegenden Falle haben wir es mit Abkömmlingen einer Nerde (für: Neue Erde) genannten Erdenkolonie zu tun, denen der Raumschifftreibstoff ausgeht, weswegen sie auf einem abgelegenen Asteroiden notlanden müssen. Die Atmosphäre auf dem Planetoid stellt sich als erstaunlich atembar heraus, die Umwelt wirkt auf den ersten Blick ebenfalls nicht unfreundlich - bis zwei der Raumfahrer einer Horde keulenschwingender Schädelknacker zum Opfer fallen, den ins Kanibalentum abgesunkenen Nachkommen eines anderen Siedlerschiffes! Mit Mühe und Not können sich die verbliebenen beiden Überlebenden retten - und dann stoßen sie auf weitere Abkömmlinge des zuletzt angeführten Siedlerschiffes, die sich hinter einem Strom aus ätzender Säure und hohen Mauern verschanzen, wo sie eine tatsächlich absolut gewalt- und aggressionsfreie Gesellschaft errichtet haben! Die beiden Überlebenden gehen nun jeder auf seine Weise ihren eigenen verderbensbringenden Weg: Der eine sucht zum Zwecke seiner Rückkehr zur Nerde (nicht ohne Erfolg!) nach Mitteln und Wegen, aus den Reihen der ultimativen PazifistInnen eine regelrechte Armee zu rekrutieren. Der andere aber erringt die Liebe einer intelligenten und schönen Frau und damit ein nie erhofftes Glück, vermag sich damit jedoch nicht zufrieden zu geben...
So weit der geradezu klassische Plot, der dadurch noch gewinnt, daß Morrow ihn mit den Mitteln der klassischen Tragödie vollstreckt: so fest das Band der Liebe auch ist, so gut die gegenseitigen Absichten, kleinste Mißverständnisse und Heimlichkeiten auf beiden Seiten spielen aufs Schrecklichste ineinander, bis es geradezu unvermeidlich zur (zwischenmenschlichen) Katastrophe kommt!

Ich habe einen ähnlich profunde konstruierten und dabei zugleich packenden Roman im Bereich der Science Fiction schon länger nicht mehr gelesen. Warum aber mit Wein des Frevels ein immerhin ein gutes Jahrzehnt vergriffenes Buch empfehlen? Nun, bei Heyne ist meines Wissens (mit neuer Übersetzung, wie ich annehme) eine Neuherausgabe des trefflichen Werkes annonciert.

Leute: vormerken!