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Ken MacLeodDas Sternenprogramm
 
Science Fiction Roman, The Star Fraction (1995), deutsche Erstausgabe, München 2001, Heyne TB 06/6383, ISBN 3-453-18788-1, aus dem Amerikanischen von Norbert Stöbe, Umschlagillustration: Chris Moore, 8,95/17,50, 509 Seiten.
 
Rezensent: Peter Herfurth-Jesse
 
Unter großem Jubel renommierter Kollegen wie Ian Banks und Kim Stanley Robinson präsentiert uns Heyne mit Ken MacLeod ein beeindruckendes neues Talent. "Das Sternenprogramm" führt uns in eine nicht allzu ferne Zukunft: in der Nachfolge eines Krieges der USA und ihrer Verbündeten gegen das westliche Europa unter Führung Deutschlands ist es auf dem alten Kontinent zu einer Balkanisierung der politischen Landschaft gekommen. Die territorialen Nationalstaaten bekannter Prägung wurden ersetzt durch einen bunten Flickenteppich unterschiedlichster Gebiete; es gibt keine religiöse oder politische Fraktion, die nicht über einen bewaffneten Arm und ein eigenes Herrschaftsgebiet verfügt. Über allem schweben die orbitalen Kampfstationen der von den USA dominierten Vereinten Nationen und "garantieren" mit ihren Laserwaffen die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Staus quo.
Die Zukunft, die MacLeod hier vor uns ausbreitet (und dies stellt meines Erachtens den größten Vorzug seines Romans dar) ist von einer geradezu vibrierenden Vitalität. Das heutige England wird im großen und ganzen von einer royalistischen Clique regiert, die ihren Herrschaftsanspruch nur mit Mühe und Not gegen die Untergrundarmee der alten Republik verteidigen kann. Christliche FundamentalistInnen, NeokommunistInnen unterschiedlichster Spielart, radikale Feministinnen, militante TierrechtlerInnen und ökologisch orientierte Neo-BarbarInnen treiben ihr (Un-)wesen. Der professionelle Söldner (wie seine gleichgestellte Kollegin) ist ein angesehener Lehrberuf, für terroristische Auseinandersetzungen gibt es einen an die Haager Landkriegsordnung angelehnten Verhaltenskodex.
Verbunden wird die irritierende Vielfalt der politischen Landschaft Europas durch den körperlosen Datenverbund des Netzes. Dann zeigt sich jedoch, dass seit Jahren auf allen dem Netz angeschlossenen Rechnern ein geheimes Subprogramm mitläuft und eine künstliche Intelligenz generiert, die der Menschheit neue, zukunftweisendere Wege bereiten könnte. Aber es gibt auch einflussreiche Mächte, die mit allen Mitteln eine Veränderung der Kräfteverhältnisse in Europa verhindern wollen. Für eine Handvoll unterschiedlicher ProtagonistInnen des Romans beginnt damit ein Wettlauf mit der Uhr...
Der Mann hat, das ist unübersehbar, eine Menge Phantasie. (Und es würde mich doch sehr wundern, wenn er in jüngeren Jahren nicht intensiveren Kontakt mit einer der zahlreichen trotzkistischen Politsekten gehabt hätte.)

Die Intensität seiner Erzählung hilft zudem über gelegentliche logische Schwächen so weit hinweg, dass ich "Das Sternenprogramm" durchaus empfehlen kann. (Und ich bin gespannt, was von diesem Autor noch kommt.)