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Michael BishopBrüchige Siege
 
Roman, Brittle Innings (1994), deutsche Erstausgabe, München 1998, Heyne TB 06/5923, ISBN 3-453-13310-2, aus dem Amerikanischen von Hendrik P. und Marianne Linckens, Baseball Fachberatung: Klaus Fritsche, Umschlagillustration: doMANSKI, 2490, gebunden, 687 Seiten.
 
Rezension: Peter Herfurth-Jesse
 
Jogging war gut, Penshing war gut und auch Mobbing hat ohne große Schwierigkeiten den Weg über den großen Teich zu uns gefunden. Man könnte sich schon fragen, ob wir denn alles, was aus den USA kommt, übernehmen, gäbe es da nicht Baseball, neben Football, Eishockey und zuletzt Basketball eines der nationalen Heiligtümer der US-Amerikaner, ein Spiel dessen Regelwerk dem gemeinen Mitteleuropäer (und seiner interessierten Zeitgenossin) so rätselhaft wie die ganz spezielle Spannung des Spiels unerklärlich erscheint.
Damit ist auch schon ein ganz entscheidendes Handicap von Michael Bishops "Brüchige Siege" gekennzeichnet, spielt im Roman doch der Ablauf der Baseballsaison des Jahres 1943 einer Provinzliga eine ganz entscheidende Rolle. Wer (wie ich) wenig anfangen kann mit Bases, Innings, Strikes, Pitcher, Pop-ups und all den anderen Grundbegriffen jenes ur-amerikanischen Sports, der kann zwar in einem mehrseitigen Anhang nachschlagen, was dem Lesefluß wiederum eher abträglich ist.
Bishops Roman folgt dem Weg des heranwachsenden Baseball-Talents Danny Boles durch seine erste (und einzige) Saison als professioneller Spieler. Vor dem Leser breitet sich ein detailreiches Panorama des alltäglichen Lebens in den US-Südstaaten aus, wobei der Autor lobenswerterweise insbesondere die allgegenwänige "Rassen"diskrimination immer wieder explizit herausstellt. Wir erfahren, daß es im zweiten Weltkrieg auch in den USA umfangreiche, das alltägliche Leben spürbar einschränkende Rationierungen gab - und Menschen mit Einfluß, die findig ihre Wege fanden, diese Rationierungen zu umgehen.
Danny Boles gehört nicht dazu. Die Bahnfahrt zu seinem ersten Job als Profi gestaltet sich für ihn zum Alptraum, beraubt und vergewaltigt verliert er, der ohnehin mit dem Handicap des Stotterns beladen ist, seine Stimme komplett. Daß er aufgrund seines großen Talents einen etwas älteren Stammspieler aus dem Team verdrängt, bringt Boles dessen nachhaltigen Haß ein. Und dann ist da noch Jumbo, Dannys Zimmergenosse, ein grandioser Spieler und ein Riese von einem Mann, abgrundtief häßlich, aber von ausgesuchten Manieren...
"Brüchige Siege" verbindet seine geradezu klassische Geschichte eines Sommers (und eines Erwachsenwerdens) erst sp%auml;t mit "Frankenstein"-Motiven. Die Lebenserinnerungen des geheimnisvollen Riesen umfassen auf wenigen Seiten Jahrhunderte, ganz folgerichtig müssen sie gegen die Intensität, mit der Bishop seine zentrale Geschichte erzählt hat, verhältnismäßig blaß erscheinen. Wenn der Autor im weiteren Verlauf seinen Plot immer weiter in Richtung auf Motive in der Tradition der großen Schauerromane hintreibt, könnte dies für belesene Freunde der großen Vorlagen einen ganz speziellen Kitzel bedeuten. Anderen dürften die finale Plotwendung eher als anachronistisch erscheinen.
Insgesamt ist ,"Brüchige Siege" in weiten Teilen ein ernstzunehmender Mainstreamroman über die Mannwerdung eines Jungen. Sp:ät einsetzende phantastische Elemente und die Ansiedlung in Milieu eines für EuropäerInnen exotischen Sports dürften vielen die Lektüre erschweren.